
Im schwedischen Sollentuna-Edsberg nördlich von Stockholm war für einen kurzen, aber hoch anspruchsvollen Abschnitt bei der Erweiterung des Abwassernetzes eine gezielt angepasste Vortriebstechnologie notwendig.
Der Bau eines unterirdischen Abwasserkanals mit einem Durchmesser von 1.110 Millimetern brachte eine Vielzahl von außergewöhnlichen Herausforderungen mit sich.
Bereits die Lage der Baustelle bereitete Kopfzerbrechen. Denn in direkter Nachbarschaft steht das Rokoko-Schloss Edsberg. Erschütterungen und Staub, die durch konventionelle Baumethoden verursacht werden, hätten das wertvolle Bauwerk stark belastet. Die geologischen Voruntersuchungen wiesen auf extreme Baugrundbedingungen hin: vorwiegend harter und abrasiver Granit und Gneis mit einer einaxialen Druckfestigkeit (UCS, Uniaxial Compressive Strength) von bis zu 248 MPa.
Entsprechend bedurfte es einer für den geringen Durchmesser speziell ausgelegten Hartgesteinsmaschine, die mit besonders verschleißfesten Abbauwerkzeugen ausgestattet sein musste. Denn ein eventuell notwendiger verschleißbedingter Wechsel der Abbauwerkzeuge konnte aufgrund des geringen Maschinendurchmessers nicht von innerhalb der Maschine erfolgen.
Der neue Abwasserkanal mündet zudem mit dem finalen Durchbruch direkt in einen bestehenden Abwassertunnel. Leicht abfallend mit einer Längsneigung von 5,9 ‰ und einer Überdeckung von 5 bis 15 m verläuft er geradlinig zum so genannten Käppala-Tunnel, in den er direkt mündet. Ein Zielschacht für die Bergung der Maschine konnte hier nicht abgeteuft werden. Der Bau eines Zwischenschachtes kam aufgrund der Gegebenheiten vor Ort nicht in Frage. Es war folglich zwingend nötig, die Maschine zum Startschacht zurückziehen zu können: Zum einen, um verschlissene Werkzeuge während des Vortriebs zu wechseln und zum anderen, um die Maschine nach Vortriebsabschluss zu bergen.
Eingesetzt wurde eine für Edsberg angepasste Microtunnelling-Bohrmaschine vom Typ AVN 800 HR mit einem Schilddurchmesser von 1.110 Millimetern. Am Schneidrad der ferngesteuerten Microtunnelling-Bohrmaschine (MTBM) sind für die Anwendung im harten Fels verschleißfeste TCI-Rollenmeißel mit Wolframcarbid-Einsätzen montiert. Die AVN 800 HR ist für den Hartgesteinsvortrieb auf eine maximale Anpresskraft von 890 Kilonewton (89 t) ausgelegt, die etwa doppelt so hoch ist wie bei der Standardversion AVN 800 A. Für diese extrem hohen Anpresskräfte montierte Herrenknecht ein entsprechend optimiertes Hauptlager. In der Summe verlängern diese und weitere Hartgestein-Anpassungen die mögliche Vortriebslänge ohne Werkzeugwechsel erheblich – je nach Felseigenschaften auf bis zu 200 Meter.
Ein weiteres zentrales Element der Gesamtlösung in Edsberg: flanschbare Stahlrohre. Temporäre, verschraubte Rohre anstelle der im Rohrvortrieb üblichen Betonvortriebsrohre ermöglichen den Rückzug der Maschine für Werkzeugwechsel und Maschinenbergung.
Notwendig dafür ist ein speziell konstruierter Pressenrahmen. Er schiebt die Vortriebsmaschine und die Rohre vorwärts und kann bei Bedarf die Maschine an den Rohren aus dem Tunnel zurückziehen.
Tatsächlich wurde die Maschine nur dreimal zum Startschacht zurückgezogen: Nach 20 Metern wurden die Schneidwerkzeuge inspiziert – ohne nennenswerten Verschleiß. Der einzige Austausch der TCI-Rollenmeißel war erst nach 72 m erforderlich.
Im November 2023 konnte die Maschine nach dem finalen Durchbruch die gesamten 163 Meter zurückgezogen werden. Die Weltpremiere einer rückziehbaren Kleindurchmesser-Hard-Rock-Maschine konnte damit erfolgreich abgeschlossen werden.